Alko­hol in der Schwan­ger­schaft ver­än­dert die Gehirn­struk­tur des Babys

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Eine aktu­elle Stu­die konnte mit­tels Magnet­re­so­nanz­to­mo­gra­fie zei­gen, dass Alko­hol­kon­sum wäh­rend der Schwan­ger­schaft selbst in gerin­gen bis mäßi­gen Men­gen die Gehirn­struk­tur des Babys ver­än­dern und die Gehirn­ent­wick­lung ver­zö­gern kann.

Die Ergeb­nisse der Stu­die wur­den auf der Jah­res­ta­gung der Radio­lo­gi­cal Society of North Ame­rica (RSNA) vor­ge­stellt (27.11.–1.12.22).

Die Magnet­re­so­nanz­to­mo­gra­phie beim unge­bo­re­nen Kind ist eine hoch spe­zia­li­sierte und sichere Unter­su­chungs­me­thode, die es uns ermög­licht, schon vor der Geburt genaue Aus­sa­gen über die Hirn­rei­fung zu machen“, erklärte Stu­di­en­lei­ter Dok­to­rand Gre­gor Kasprian von der Medi­zi­ni­schen Uni­ver­si­tät Wien in Österreich.

Alko­hol­kon­sum wäh­rend der Schwan­ger­schaft kann für Fötus mit einer Reihe von nega­ti­ven Fol­gen ver­bun­den sein, die als Fetale Alko­hol­spek­trums­tö­rung (FASD: Fetal alco­hol spec­trum dis­or­der) bezeich­net wer­den. Babys, die mit sol­chen Stö­run­gen gebo­ren wer­den, kön­nen Lern­schwie­rig­kei­ten, Ver­hal­tens­pro­bleme oder Sprech- und Sprach­ver­zö­ge­run­gen entwickeln.

Lei­der sind sich viele schwan­gere Frauen nicht bewusst, wel­chen Ein­fluss Alko­hol auf den Fötus wäh­rend der Schwan­ger­schaft hat“, sagte der Haupt­au­tor Patric Kien­ast, M.D., ein Ph.D. Stu­dent an der Medi­zi­ni­schen Uni­ver­si­tät Wien. „Daher liegt es in unse­rer Ver­ant­wor­tung, nicht nur zu for­schen, son­dern auch die Öffent­lich­keit aktiv über die Aus­wir­kun­gen von Alko­hol auf den Fötus aufzuklären.“

Für die Stu­die ana­ly­sier­ten die Forscher:innen MRT-Aufnahmen von 24 Föten, die im Mut­ter­leib Alko­hol aus­ge­setzt waren. Die Feten befan­den sich zum Zeit­punkt der MRT-Untersuchung zwi­schen der 22. und 36. Schwan­ger­schafts­wo­che. Die Alko­hol­be­las­tung wurde durch anonyme Befra­gun­gen der Müt­ter ermit­telt. Als Fra­ge­bö­gen wurde das Pregnancy Risk Assess­ment Moni­to­ring Sys­tem (PRAMS) der Cen­ters for Dise­ase Con­trol and Pre­ven­tion (CDC) ver­wen­det und das T‑ACE Scree­ning Tool, ein Mess­in­stru­ment mit vier Fra­gen, die ris­kan­tes Trin­ken iden­ti­fi­zie­ren.
Bei Feten mit Alko­hol­ex­po­si­tion war der „Fetal Total Matu­ra­tion Score” (fTMS) deut­lich nied­ri­ger als bei den gleich­alt­ri­gen Babys ohne Alko­hol­ein­fluss, und der rechte Sul­cus tem­po­ra­lis supe­rior (STS) war fla­cher. Der STS ist für die soziale, audio­vi­su­elle und Sprach­wahr­neh­mung zuständig.

Wir fan­den die größ­ten Ver­än­de­run­gen in der tem­po­ra­len Hirn­re­gion und im STS“, berich­tete Kasprian. „Wir wis­sen, dass diese Region und ins­be­son­dere die Bil­dung des STS einen gro­ßen Ein­fluss auf die Sprach­ent­wick­lung im Kin­des­al­ter hat.“

Gehirn­ver­än­de­run­gen selbst bei gerin­ger Alkoholexposition

Sieb­zehn von 24 Müt­tern tran­ken rela­tiv sel­ten Alko­hol, wobei der durch­schnitt­li­che Alko­hol­kon­sum weni­ger als ein alko­ho­li­sches Getränk pro Woche betrug“, so Dr. Kien­ast. „Trotz­dem konn­ten wir bei die­sen Föten anhand der prä­na­ta­len MRT signi­fi­kante Ver­än­de­run­gen fest­stel­len.“
Drei Müt­ter tran­ken ein bis drei Drinks pro Woche und zwei Müt­ter tran­ken vier bis sechs Drinks pro Woche. Eine Mut­ter kon­su­mierte durch­schnitt­lich 14 oder mehr Getränke pro Woche. Sechs Müt­ter berich­te­ten außer­dem von min­des­tens einem Rausch­trin­ken (mehr als vier Drinks bei einer Gele­gen­heit) wäh­rend der Schwangerschaft.

Den For­schern und For­sche­rin­nen zufolge könnte die ver­zö­gerte Ent­wick­lung des föta­len Gehirns spe­zi­ell mit einer ver­zö­ger­ten Mye­li­ni­sie­rung (Umhül­lung der Axone der Ner­ven­zel­len mit Lipi­den und Pro­te­inen) und einer weni­ger aus­ge­präg­ten Gyri­fi­ka­tion (Fur­chen­bil­dung im Groß­hirn) in den Frontal- und Okzi­pi­tal­lap­pen zusammenhängen.

Der Mye­li­ni­sie­rungs­pro­zess ist ent­schei­dend für die Funk­tion des Gehirns und des Ner­ven­sys­tems. Mye­lin schützt Ner­ven­zel­len und ermög­licht ihnen, Infor­ma­tio­nen schnel­ler zu über­tra­gen. Wich­tige Ent­wick­lungs­mei­len­steine bei Säug­lin­gen, wie das Umdre­hen auf den Bauch, Krab­beln und die Sprach­ver­ar­bei­tung sind mit der Mye­li­ni­sie­rung verbunden.

Gyri­fi­ka­tion bezieht sich auf die Bil­dung der Fal­ten bzw. Fur­chen der Groß­hirn­rinde. Diese Fal­tung ver­grö­ßert die Ober­flä­che der Hirn­rinde bei begrenz­tem Platz im Schä­del und ermög­licht so eine Stei­ge­rung der kogni­ti­ven Leis­tungs­fä­hig­keit. Wenn die Gyri­fi­zie­rung ver­rin­gert wird, wird die Funk­tio­na­li­tät verringert.

Schwan­gere soll­ten Alko­hol­kon­sum strikt ver­mei­den“, sagt Dok­to­rand Kien­ast. „Wie wir in unse­rer Stu­die zei­gen, kann schon ein gerin­ger Alko­hol­kon­sum zu struk­tu­rel­len Ver­än­de­run­gen in der Gehirn­ent­wick­lung und einer ver­zö­ger­ten Gehirn­rei­fung führen.“

Es ist unklar, wie sich diese struk­tu­rel­len Ver­än­de­run­gen auf die Gehirn­ent­wick­lung die­ser Babys nach der Geburt aus­wir­ken wer­den.
„Um das genau ein­schät­zen zu kön­nen, müs­sen wir abwar­ten, bis die Kin­der, die damals als Föten beob­ach­tet wur­den, etwas älter wer­den, um sie zu wei­te­ren Unter­su­chun­gen wie­der ein­la­den zu kön­nen“, so Kien­ast. „Wir ver­mu­ten, dass die von uns ent­deck­ten Ver­än­de­run­gen zu den kogni­ti­ven und Ver­hal­tens­schwie­rig­kei­ten bei­tra­gen, die [als Fetale Alko­hol­spek­trums­tö­rung] wäh­rend der Kind­heit auf­tre­ten können.“

Quel­len: Eure­kA­lert! RSNA

Ori­gi­nal:
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