Der 9. September wurde vor 25 Jahren bewusst gewählt, um an die 9 Monate der Schwangerschaft zu erinnern und die Bedeutung eines alkoholfreien Lebensstils während dieser Zeit zu betonen. Dieser besondere Tag bietet seither international eine Plattform für Organisationen, Fachleute und Betroffene, um ihre Stimmen zu erheben, Erfahrungen zu teilen und gemeinsam für eine bessere Zukunft zu kämpfen.
Fetal Alcohol Spectrum Disorder (FASD) ist eine nahezu unsichtbare Beeinträchtigung, die durch pränatale Alkoholexposition (Alkoholkonsum während der Schwangerschaft) verursacht werden kann und weitreichende und lebenslange Auswirkungen auf die neurologische Entwicklung und das Verhalten von betreffenden Personen mit FASD hat.
Trotz der hohen Prävalenz von 2% (ca. 1,7 Mio. der bundesweiten Bevölkerung) und der schwerwiegenden Folgen bleibt FASD oft unerkannt und unterversorgt, was sowohl individuelle als auch gesellschaftliche Herausforderungen birgt. So fehlt es einerseits bereits an der gesamtgesellschaftlichen Anerkennung als Krankheitsbild und andererseits an Forschungsarbeit, die untersucht, welche Gründe für die Unterversorgung von Menschen mit FASD auf verschiedenen gesellschaftlichen Ebenen bestehen und Barrieren im Bereich der Prävention, Diagnose und Intervention identifiziert.
Auf individueller Ebene werden Stigmatisierung, mangelnde Sensibilisierung und unzureichendes Verständnis für die Komplexität von Personen mit FASD als Hindernisse für die angemessene Versorgung erlebt.
(Pflege-)Familien von betreffenden Personen stehen vor enormen Herausforderungen bei der Suche nach entlastender Unterstützung und Ressourcen und kämpfen hierbei oft um ihre Glaubwürdigkeit, was zu einer zusätzlichen Belastung führt. Gesundheitssysteme und die zuständigen Sozial- und Bildungsbehörden sind aus unserer täglichen Erfahrung zudem nicht ausreichend darauf vorbereitet, FASD (an)zuerkennen, zu diagnostizieren, angemessene Interventionen anzubieten und/oder zu entwickeln, was zu einer Verstetigung der Unterversorgung führt.
FASD bleibt als Zivilisationskrankheit seit einem Vierteljahrhundert nahezu unsichtbar in Deutschland, welch ein Jubiläum
Auf gesamtgesellschaftlicher Ebene zeigt sich ein Mangel an politischem Verständnis, Engagement und Finanzierung für spezifische FASD-Programme und Dienste. Die sehr begrenzte Verfügbarkeit von Fachkräften/Fachärzten*innen und spezialisierten Diensten stellt eine weitere Herausforderung dar. Darüber hinaus führt die fehlende Integration von FASD-Thematiken in Bildungs- und Gesundheitssystemen zu einer Zirkulation der Unterversorgung.
Um diese Herausforderungen anzugehen, sind ganzheitliche Ansätze auf verschiedenen Ebenen erforderlich. Dies erfordert eine umgehend verbesserte mediale Aufklärung der Öffentlichkeit über FASD, um Stigmatisierung/Ableismus zu reduzieren und das generelle Verständnis von FASD als Schwerbehinderung zu fördern. Es bedarf ebenso einer besseren Ausbildung und Unterstützung von Gesundheitsfachkräften und der Fachärzteschaft, um überhaupt die Diagnose und Versorgung von FASD zu gewährleisten. Politische Maßnahmen zur Integration von FASD in bestehende Programme und zur Bereitstellung ausreichender Ressourcen sind ebenfalls von entscheidender Bedeutung.
FASD als Zivilisationskrankheit gesellschaftlich anerkennen
Insgesamt hält das FASD-Fachzentrum Hamburg e.V. es für dringend und notwendig, eine umfassende Reaktion auf die gravierende Unterversorgung von Menschen mit FASD auf individueller und gesellschaftlicher Ebene zu gewährleisten.
FASD ist FAKT:
- Die im Juni 2024 durch ein interdisziplinäres Expert*innen-Gremium aktualisierte S3-Leitlinie FETALE ALKOHOLSPEKTRUMSTÖRUNG bei Kindern & Jugendlichen / Diagnose & Intervention- Living Guideline (AMWF-Registernr.: 022–025) definiert erstmalig evidenzbasierte Empfehlungen für Interventionsmöglichkeiten für regionale und bundesweite FASD-Strategien.
- Erstmalig geht das Expert*innen-Gremium von einer offiziellen FASD-Prävalenz von 2% aus (somit ca. 1,7 Mio. betreffende Personen bundesweit. Im Gegensatz zu z.B. Trisomie 21 (0,2%) oder Autismus-Spektrum-Störung (1,1%) ist FASD als Schwerbehinderungsbild gesellschaftlich nahezu unbekannt).
- FASD ist auch in Deutschland die häufigste nicht genetisch bedingte Behinderung bei Neugeborenen.
- FASD wird bereits im neuen ICD 11 unter LD2F.00 Fetal Alkoholsyndrom als neurologische Entwicklungsstörung mit schwerwiegenden Beeinträchtigungen berücksichtigt.
- Zusätzlich etablieren sich aktuell eigeninitiativ bundesweite fachspezifische Beratungs- und Unterstützungsstrukturen, wie z.B. auch das FASD-Fachzentrum Hamburg e.V., mit bundeslandübergreifenden Wirkungskreisen.
- Des Weiteren gründete sich im Juni 2024 der Bundesverband FASD, um seine bundespolitische Arbeit zunächst aufzubauen, um sich dann zu entfalten.
- Am 09.09.2024 jubiliert der internationale FASD-Tag/(Tag des alkoholgeschädigten Kindes) zum 25jährigen Bestehen.
Durch die allgemeine Anerkennung und Etablierung von FASD als Zivilisationskrankheit sowie verbesserte Prävention, Gewährleistung von Diagnosemöglichkeiten und Intervention können wir die Lebensqualität von Personen mit FASD enorm verbessern, Inklusionsvoraussetzungen schaffen und die grenzwertigen Belastungssituationen für isolierte (Pflege-)Familien/Hilfesystem und betreffende Personen in der Gesellschaft insgesamt verringern.
Ansonsten bleiben betreffende Personen mit FASD und ihre Hilfesysteme weiterhin sich selbst überlassen und somit die Chance und Perspektive auf eine „teilhabende” und humane Lebensgestaltung von vornherein für immer verwehrt.
Daher appellieren wir an Sie und würden uns umso mehr freuen, wenn Sie uns bestmöglich mit Ihrer medialen Aufmerksamkeit und Möglichkeiten (z.B: zum diesjährigen Jubiläum am 09.09.24 FASD TAG und/oder anderen Vorhaben) unterstützen.
Wir haben Ihr Interesse geweckt, Sie haben Fragen, Ideen und/oder Anregungen? Wir freuen uns über Ihre Kontaktaufnahme und unterstützen Sie gerne mit unserem Experten*innenwissen und (Fach-)Netzwerken und Kontakten zu betreffenden Personen zur Thematik FASD.
WIR MACHEN FASD SICHTBAR, machen Sie mit!
Mit besten Grüßen
Timm F. Theen & Tobias Wolff
‑Projektleitung-
vom
FASD-Fachzentrum Hamburg e.V.
Rothenbaumchaussee 114
20149 Hamburg
www.fasd-fachzentrum.hamburg
Ende der Pressemitteilung