Der 09. September ist jedes Jahr der internationale Tag des alkoholgeschädigten Kindes. Unser Vorstandsvorsitzender Tobias Wolff nutzt diesen Tag dazu, untenstehenden offenen Brief zur aktuellen Situation um FASD an die wichtigen Akteure in der Hamburger Politik und Behördenlandschaft zu richten.
Sehr geehrte Damen und Herren,
heute, am 09. September 2021, wird wieder einmal weltweit der alkoholgeschädigten Kinder gedacht.
Das ist gut, aber gleichzeitig auch zu wenig.
2016 hatte die Bundesregierung in ihrem Nationalen Aktionsplan 2.0 zur UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) folgendes festgeschrieben:
Was ist seitdem passiert?
Ernüchternd müssen wir feststellen: wenig bis nichts.
Weiterhin müssen in Deutschland Betroffene von FASD und ihre Angehörigen um Anerkennung und ihre Rechte kämpfen.
Viele haben nicht die Kraft, neben der Betreuung ihrer Kinder mit FASD noch zu kämpfen.
Viele müssen ihre Arbeit aufgeben oder stark reduzieren und machen sich Sorgen um ihre spätere Altersversorgung.
Viele sind immer noch zum Teil unglaublichen Vorwürfen und Vorurteilen ausgesetzt.
Schätzungen zufolge werden in Deutschland jährlich bis zu 10.000 Kinder mit FASD geboren.
Damit zählen Fetale Alkohol-Spektrumstörungen zu den häufigsten bereits bei der Geburt vorliegenden Behinderungen in Deutschland. In der Praxis werden diese Fälle allerdings selten diagnostiziert. Während zur Diagnose von FAS bei Kindern und Jugendlichen inzwischen eine S3-Leitlinie (AWMF) vorliegt, fehlen entsprechende Empfehlungen zur Diagnose für von FAS/FASD betroffene Erwachsene.
FASD bedeutet für viele der betroffenen Patienten persistierende körperliche und psychopathologische Störungen. Während sich die Versorgungssituation von Kindern, Jugendlichen und Heranwachsenden verbessern konnte, ist für Erwachsene mit FASD die Versorgungs- und Betreuungssituation noch unzureichend. Sie leben oft mit einer Fehldiagnose und werden deshalb falsch behandelt in Einrichtungen der Behinderten- und Eingliederungshilfe, in Justizvollzugsanstalten, in der Wohnungslosenhilfe oder sind obdachlos.
Wir vom FASD-Fachzentrum Hamburg e.V. fordern konkrete Vorschläge von den Verantwortlichen in unserer Stadt, aber auch in der Bundesrepublik Deutschland:
- Ausreichend Kapazitäten für die Diagnostikmöglichkeiten. Oft müssen Betroffene bis zu einem halben Jahr und länger auf einen Termin warten.
- Diagnostik für Erwachsene. Hamburg als zweitgrößte Stadt Deutschlands hat keine einzige Anlaufstelle diesbezüglich.
- Eine bessere Vernetzung der Behörden, zum Beispiel beim Übergang von Kita zu (Sozialbehörde) zur Schule (Schulbehörde).
- Umfangreiche qualifizierte Schulbegleitung für Kinder mit FASD
- Ausschöpfung der Möglichkeiten, die das BTHG (Bundesteilhabegesetz) zur Verfügung stellt.
- Mutige und zukunftsorientierte Entscheidungen im Interesse der Betroffenen von FASD.
- Fortbildungen für Lehrkräfte, Sonderpädagog:innen, Erzieher:innen, Jugendamt, Kinderärzt:innen, Jurist:innen etc.
- Umfangreiche Entlastungsangebote für Angehörige von Menschen mit FASD
Wir laden alle ein, sich mit uns zum Thema FASD auszutauschen und gemeinschaftlich diese Aufgabe anzugehen.
Besuchen sie unsere Website: https://fasd-fachzentrum.hamburg
Oder nehmen sie direkt mit uns Kontakt auf:
Für Aufklärung und Fortbildung zum Thema FASD stehen wir gerne zur Verfügung.
Wir danken Ihnen, dass Sie sich die Zeit genommen haben, diesen offenen Brief zu lesen, und freuen uns, von Ihnen zu hören.
Tobias Wolff
Vorstand
FASD-Fachzentrum Hamburg e.V.